Sind „gute“ Lügen wirklich gut?

Sie hat viele schöne Namen. Auf Türkisch heißen sie Beyaz yalan. Die Franzosen nennen sie mensonge blanc. Die Spanier gaben ihnen den Namen mentira piadosa. Und كذبة بيضاء (kidhbat bayda‘) werden sie im arabischen Raum genannt. Klingende Namen für etwas, das es überall auf der Welt gibt und das jede:r kennt: die weißen Lügen.

Wissenschaftler definieren die „weiße Lüge” so: Es ist eine Lüge, die gut gemeint ist, die anderen nicht schaden soll, sondern helfen will. Das hört sich ja erst mal gut an. Doch Lügenforscher Professor Philipp Gerlach belehrt uns eines Besseren: „Wir lügen aus Verlogenheit, Feigheit oder um uns Vorteile zu verschaffen“, weiß er. „Aber“, so ergänzt er, „wir lügen auch aus Freundlichkeit oder um uns gut zu stellen mit anderen.“ So verschieden die Menschen und ihre Beziehungen, so verschieden sind die „weißen Lügen“.

Dass jeder Mensch lügt, scheint klar. Wie oft, dagegen nicht. Die erforschte Zahl schwankt zwischen 2 und 200 Mal pro Tag. Es gibt, so belegen Studien, sehr große Unterschiede: Manche Menschen lügen fast nie, andere ständig – egal, ob Frau oder Mann, jung oder alt. Manche lügen nur bestimmte Menschen an, andere ihre gesamte Umgebung. Es gibt Leute, denen bereitet eine „weiße“ Lüge schlaflose Nächte. Andere dagegen lügen „schwarz“ in großem Stil, erzählen bewusst Unwahrheiten dreist und eiskalt.

Die Lügen-Lage ist also unübersichtlich. Einigkeit herrscht darüber, dass eine Mehrzahl der Menschen die „weißen Lügen“ für harmlos und sogar wichtig halten. Jemanden nicht verletzen wollen, Stress vermeiden, selber gut dastehen – es gibt viele Gründe „weiß“ zu lügen“. Zum Beispiel, wenn man der Freundin sagt: „Das Kleid steht dir richtig gut“ – obwohl man das Kleid scheußlich findet. Oder wenn man der Mutter versichert: „Toll, dass du für mich gekocht hast“, obwohl man gar keinen Hunger hat und ihr Essen ohnehin nicht mag. Oder in der Schule vergessene Hausaufgaben „morgen“ abzugeben, „ganz bestimmt“ – und es dann nicht zu tun. Auch nicht ernst gemeinte Versprechen können „weiße Lügen“ sein. 

Psychologen warnen, dass auch „weiße Lügen“ ungute Folgen haben können. Wenn man lügt, um den Frieden zu wahren und Stress zu vermeiden, bekommt man auf Dauer trotzdem Probleme. Denn irgendwann kommt der Punkt, an dem die Freundin merkt, dass man ihr Kleid nicht mag. Die Mutter spürt, dass ihre Kochkünste nicht ankommen. Und die Lehrkraft ahnt, dass die Hausaufgaben nie abgegeben werden. Meist folgen Enttäuschungen und Frust.

Darum: Ehrlichkeit lohnt sich. Am Ende geht es um Vertrauen und Wertschätzung. Wenn man eine vertrauenswürdige Person sein will, kann man das nur, wenn man ehrlich ist. Dann kommt auch das Vertrauen zu einem selbst zurück. 

Eure MAUthpieces-Redaktion